Simulieren, vortäuschen, übertreiben, wo liegt der Unterschied?

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Jedenfalls glaubt dein Arzt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, dass du "stark suizidgefährdet“ bist. Und dies wird er dann auch in deinem Attest, welches du dir irgendwann später zur Vorlage beim Kreiswehrersatzamt ausstellen lässt, bestätigen! Und was, glaubst du, kann die Bundeswehr mit jemandem anfangen, von dem Sie annehmen muss, dass er, sobald er eine Waffe in die Hand bekommt, gleich seinen Spiess und anschliessend sich selbst abknallt? du vermutest richtig: Überhaupt nichts!

Nun wirst du dich fragen, ob du dich wegen Simulation, Wehrkraftentziehung durch Täuschung oder sonstetwas strafbar gemacht hast? Wohl kaum, denn alles, was du getan hast, war ja nur, dass du deinem Arzt deine tatsächlich vorhandenen Symptome erklärt hast. Alles weitere war eine (selbstverständlich rein zufällige) Verkettung gewisser, für dich glücklicher Umstände.

Und die Moral von der Geschicht? - Beschwindle deinen Doktor nicht !

Das hast du nämlich gar nicht nötig, wie wir gerade festgestellt haben !

Merke: Jeder Mensch hat ständig ein paar Symptome, und - sind Sie auch noch so klein - ein Recht darauf, Sie wahrzunehmen. Es gibt natürlich so viele verschiedene Möglichkeiten, seine Symptome dem Arzt zu schildern, wie es Menschen gibt.

Die einen denken beim leichtesten Anzeichen von Haarausfall sofort an Krebs und steigern sich so in diese Vorstellung hinein, dass der von Angst gemarterte Körper nach kurzer Zeit anfängt tatsächliche Symptome zu produzieren. Diese sind dann in Form von Schmerzen tatsächlich vorhanden und können dem Arzt deutlich geschildert werden.

Deutliches Schildern auch nur schwach vorhandener Symptome ist also keine Vortäuschung oder Simulation, sondern im allerschlimmsten Fall höchstens eine Übertreibung, und Übertreiben kann einem ja schliesslich keiner verbieten. Vielleicht gehörst du ja zu den Menschen, deren Selbstbewusstsein so schwach ausgeprägt ist, dass Sie Übertreibungen täglich nötig haben, um zu der Anerkennung zu finden, die anderen, selbstsicheren Menschen ständig automatisch zuteil wird.

Manchmal ist es sogar (lebens)-notwendig, da es eine Tatsache ist, dass zahlreiche Ärzte gerade bei ängstlichen Patienten auf dramatische Schilderung der Symptome angewiesen sind, um den Patienten noch entsprechend ernst zu nehmen und die notwendigen Untersuchungen zu veranlassen. So wurde z. B. bei mir ein Gallensteinleiden über längere Zeit hinweg nicht entdeckt, weil ich meinem Arzt seit meinem 13. Lebensjahr als Angstpatient bekannt bin (ich habe unter anderem eine Krebsphobie und dadurch bedingt sehr häufig Bauchschmerzen, was mein Arzt bislang immer als nervöse Gastritis diagnostizierte). Nicht auszudenken, wenn es tatsächlich Krebs gewesen wäre....

Besonders bei ängstlichen Menschen - und warum solltest gerade du nicht zu diesen gehören - liefern die angeschlagene Psyche und die Angst das Alibi für fast jedes Verhalten, und sei es auch noch so seltsam.

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